Samstag, 28. Februar 2015

Peak Innovation

Ein innovativer Innovationspfad zweigt ab und führt nach unten




Peak Innovation, was sollte das sein? Peak Oil kennen wir schon und angeblich hatten wir den schon - den Zeitpunkt des Fördermaximums von Rohöl, den Höhepunkt, Scheitelpunkt, Gipfelpunkt, an dem die Einsicht unausweichlich wird: Von nun an geht´s bergab! Lässt sich die Erdölproduktion nicht mehr steigern, schwindet sie und das Öl mit ihr. In den letzten Jahren hat diese These an Glaubwürdigkeit verloren, die Verknappung ist bisher nicht eingetreten und der Ölpreis gefallen. Wie lange dieser Trend anhält und ob er nur als optimistisches Zwischenspiel in die Geschichte eingehen wird, werden wir erst in ferner Zukunft wissen. Spätestens dann, wenn auf den Tankstellen nur noch Snacks und Souvenirs zu haben sind.

Kürzlich wurde noch so ein Peak verkündet, der "Peak Food". Die Förderraten von 27 global erneuerbaren und nicht erneuerbaren Schlüsselressourcen für die Ernährung wurden in einer wissenschaftlichen Studie ausgewertet. Ergebnis war, dass die Produktion von Nahrungsmitteln nicht mehr mit dem Bevölkerungswachstum mithalten kann. Sie habe ihren Höhepunkt überschritten, die "Peak Food"-Ära habe begonnen.



Mit "Peak Innovation" möchte ich einen provokanten Begriff in die Debatte werfen. Keineswegs behaupte ich damit, dass wir eine Sättigung, einen Grenzwert, eine Schrumpfung der Innovation vor uns hätten. Derzeit hat es sogar den Anschein, dass eine Reihe von Schlüsseltechnologien weit genug entwickelt sind, um in die Industrie und ihre Produkte integriert zu werden. Ein gewaltiger Innovations-Schub dürfte vor uns liegen.

Parallel dazu hat sich jedoch in manchen Branchen ein neuer Typus von Innovationen entwickelt, der von der langfristigen Evolution der Technologien abzweigt und den man als Niedergang begreifen sollte. Die Rede ist von Produktinnovationen, die den Interessen der Konsumenten nicht dienen, sondern zuwider laufen. Produkten für den Zwangskonsum, die nicht im Wettbewerb, sondern über Lobbying "verkauft" werden. Außerhalb der Marktwirtschaft hat sich ein neuer Sektor der Zwangswirtschaft etabliert, in dem Bürokraten und Lobbyisten ihren gemeinsamen Machtinteressen gemäß kooperieren.

Der legislative Trend, mit der Begründung der "Sicherheit" immer mehr Freiheiten und Konsumentenwünsche zu verbieten und diese Einschränkungen technisch zu überwachen, hat diesen neuen Typus industrieller Innovation auf den Plan gerufen. Nun denken zahlreiche Ingenieure nicht mehr darüber nach, mit welcher Erfindung sie den Produktnutzen noch weiter steigern können. Sie denken darüber nach, wie ein Produkt funktionieren müsste, das Messwerten entspricht, die man mittels Lobbying bei Politikern als neue Standardwerte vorschlagen und normieren lassen könnte. Mit diesem Vorgehen wird es mächtigen Großunternehmen möglich, den Wettbewerb auszuhebeln und eine "innovative" Gerätegeneration dem gesamten Markt aufzuzwingen, zum Schaden und Ärger der Konsumenten.

Man könnte diese Art von Erfindungsgeist, der auch beim Obsoleszenztechnologen am Werke ist, durchaus als "Negativtechnik" bezeichnen (wenn man weniger freundlich ist, auch als Verbrechen an der Bevölkerung, der damit bloß Geld aus der Tasche gezogen wird). Oder auch als Dysfunktionalitätswettbewerb. Bürokraten lieben solche Innovationen, erlauben sie ihnen doch, eine weitere Norm zum vorgeblichen Schutz der Menschen zu produzieren und damit die Aufrechterhaltung ihrer Stelle, ihrer Kommission, ihres Gremiums oder Amtes für ein weiteres Jahrs legitimiert zu haben (obwohl der "Peak legislation" längst überschritten ist!). Die Industrie sieht sich vom Wettbewerb gezwungen, den innovativen Vertriebskanal des Normierungs-Lobbying nach Kräften auszunutzen und spezielle Innovationen für den Politikerbedarf zu generieren.

Dieser Niedergang, diese Dekadenz passt ins Bild eines Peak, weil davor die gesamte Geschichte der Technikentwicklung einem Prinzip und damit einer stetigen Linie folgte, die aufwärts verlief, zum Besseren, Effizienteren, Bequemeren, funktional Überbietenden. Bei gewissen Geräten, die schon lange zur vollkommenen Zufriedenheit der Konsumenten funktionieren, scheinen tatsächlich die Chancen auf weitere Verbesserung durch Produktinnovation eingeschränkt, wenn nicht ausgereizt. Der Druck, den abnehmenden Kaufwillen durch Zwang zu ersetzen, ist entsprechend groß.

Peak Innovation meint das Phänomen, dass in manchen Branchen ab einer gewissen Sättigungsmenge an Produktqualitäten deren Ertrag für den Konsumenten sinkt. Wo Innovation zur Verbesserung immer weniger bringt, überschreitet die Technikentwicklung ihren Zenit, die Kurve zweckdienlicher Innovationen bewegt sich nach unten und wird von der aufstrebenden Kurve dysfunktionalisierender Produktentwicklungen überholt.

Vielleicht lässt sich eine hoch entwickelte Konsumgesellschaft ab einem gewissen Punkt (Peak Konsum?) nur noch durch Zwangskonsum, Antikonsumkonsum, Verzichtskonsum, Negativluxus und Askeseausstattungen aufrechterhalten. In diesem größeren Kontext, positiv betrachtet, wäre der Peak Innovation dann nur (im Sinne Schumpeters schöpferischer Zerstörung) das Absterben eines überholten Modells von Produktinnovation zugunsten eines neueren Modells innovativer Dysfunktionalitätsentwicklung, Antitechniktechnik, Produktkontrolltechnik und Kaufzwangsinitiationstechnologie.